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DON JUAN
EIN PSYCHOANALYTISCHES ESSAY
DEVID KESLER
Don Juan stärkte sich durch seine Art des autogenen
Trainings, schlich sich zum Garten, kletterte über das
Gitter, nährte sich Donna Anna und begann von seiner Liebe
zu ihr zu erzählen. Donna Anna sagte sehr zurückhaltend,
sie liebe nur Don Ottavio und möchte ihn heiraten. Don Juan
erkannte, dass er auf friedlichem Wege nichts erreichen
könne und vergewaltigte sie. Donna Anna wehrte sich, aber
nicht heftig genug. Danach erzählte sie, dass sie Don
Ottavio nie geliebt habe, und Don Juan wäre ihr Schwarm.
Ein Diener ging am Garten vorbei. Donna Anna fürchtete
sich, dass er sie gesehen habe und begann zu schreien.
Weitere Diener und Nachbarn liefen herbei, nachdem sie die
Schreie Donna Annas gehört hatten, allen voran der
Commendatore mit einem Degen in der Hand. Don Juan begriff,
dass er gegen den Commendatore kämpfen müsse, und der
Kampf begann. Beide waren gute Fechter, und niemand konnte
voraussagen, wie der Kampf enden würde. Sie kämpften schon
eine halbe Stunde. Plötzlich beleuchtete das Mondlicht das
Gesicht von Don Juan. Der Commendatore sah seine
wunderschönen, glänzenden Augen. Der Degen entglitt seiner
Hand, und Don Juan blieb nicht anderes übrig, als den
Commendatore zu töten.
Der Commendatore galt als noch ziemlich jung und wäre in
Kürze siebenunddreißig geworden. Er war sehr schön, hatte
eine athletische Figur und sah aristokratisch aus. Don Juan
schaute den niedergestochenen Commendatore an. Selbst der
Tod hatte nicht die schönen Züge des Commendatore zu
ändern vermocht. Don Juan wurde sich bewusst, dass er sich
schon auf den ersten Blick in diesen Commendatore verliebt
hatte.
"Nachdem er mich bei Mondlicht gesehen hatte, wollte er
sicher nicht mehr gegen mich kämpfen. Er hat sich bestimmt
in mich verliebt. Er wäre eigentlich der Einzige gewesen,
mit dem ich hätte glücklich werden können. Ich hätte ihm
alles erklären können und ihn nicht töten müssen. Doch
jetzt ist es spät sich zu mögen. Er ist tot, ich bin
einsam und unglücklich," dachte Don Juan verzweifelt.
Für sentimentale Gedanken war jedoch keine Zeit. Im Garten
schwirrten schon die Diener und Nachbarn umher. Don Juan
sprang über den Zaun, wurde jedoch gefasst und vor den
Richter geführt.
Das Gerichtsverfahren war öffentlich. viele Menschen waren
anwesend.
Die Männer verlangten, Don Juan zu töten, mindestens zu
kastrieren. Die Frauen waren nicht so blutrünstig. Drei von
ihnen schlugen vor, ihnen Don Juan zwecks Umerziehung zu
überlassen. Andere verwiesen auf seine schwierigen
Umstände: Er wäre beispielsweise der einzige Sohn in
seiner Familie. Seine Eltern würden sich nicht für ihn
interessieren und niemand habe ihm Achtung vor und Umgang
mit Frauen beigebracht.
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