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DON JUAN
EIN PSYCHOANALYTISCHES ESSAY
DEVID KESLER
Don Juan de Tenorio wurde in einer spanischen vornehmen
Familie geboren. Er war der einzige Sohn. Drei Schwestern
waren älter als er. Die Eltern kümmerten sich wenig um die
Kinder, und so verbrachte Don Juan die ganze Zeit mit seinen
Schwestern. Die Schwestern liebten ihren kleinen Bruder und
teilten ihm ihre kindlichen Geheimnisse mit. Einmal
erzählte die fünfzehnjährige Schwester dem
siebenjährigen Bruder, dass sie einen Jungen liebe, aber
sie solle einen anderen heiraten.
Don Juan wollte immer seinen Schwestern ähneln. Er liebte
es, ihre Kleider anzuziehen und zu sagen, dass er auch ein
Mädchen sei. Als der Vater das erfuhr, stellte er einen
Lehrer ein, der Don Juan das Fechten und Reiten lehren
sollte. Man machte Don Juan mit Jungem vornehmer Familien
bekannt. Aber mit keinem von ihnen konnte er sich
anfreunden. Don Juan wollte sie für Puppenspiele
interessieren. Doch die Jungen begeisterten sich fürs
Fechten, Reiten und für Rittergeschichten.
Mit elf Jahren trat bei Don Juan eine Veränderung ein. In
einer Kirche sah er einmal das Bild "Der heilige
Sebastian". Der Priester hatte das Bild in Italien
gekauft und es in der Kirche aufgehängt. Nachdem der Abt
die sogenannte Sünde im Bild bemerkt hatte, wurde der
Priester in ein Kloster verbannt. Das Bild war aber
vergessen worden und blieb in der Kirche. Don Juan war von
Schönheit des männlichen Körpers angetan gewesen und
erregt worden, obwohl dieser mit Pfeilen durchbohrt war. Don
Juan hätte das Bild gerne etwas länger betrachtet, aber
man führte ihn weg. Es kam in ihm der Wunsch auf, auch
einen Freund zu haben, der so schön und mutig war wie der
heilige Sebastian. Es war ihm aber auch bewusst, dass er
sich selbst verändern musste. Er begann Sport zu betreiben.
Stundenlang ritt und focht er. Dazu joggte er morgens auf
dem Gutshof umher zur großen Überraschung der Diener. Aber
das brachte nichts. Die Eltern interessierten ihn nicht
mehr. Er selbst verlor das Interesse an Mädchen. Die Jungen
mieden ihn. Don Juan fühlte sich einsam. Mit der Zeit wurde
aus ihn ein kräftiger Jüngling, zwar nicht sehr schön,
aber er auch nicht zu übersehen. Er hatte ungemein
anziehende Augen, kluge, glänzende und fast schwarze.
Einmal wollte ihn eine Freundin seiner Mutter verführen,
aber Don Juan wehrte sie ab. Nachdem er mündig geworden
war, lehnte er eine Militärkarriere ab, fuhr nach Salamanca
und trug sich in die philosophische Fakultät der dortigen
Universität ein.
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