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TEUFELEI
Devid Kesler
Alle Personen dieser Geschichte sind erdichtet. Es ist
sinnlos, Ähnlichkeiten mit realen Menschen zu suchen.
Jede vollbrachte Handlung hat ihr eigenes Schicksal,
dessen Vorhersage schwierig ist. Die Vorhersage der
Folgen einer vollbrachten Handlung ist eigentlich
schon eine recht undankbare Aufgabe.
Hans Braun wachte mit einem seltsamen Gefühl auf, mit einer Vorahnung
eines sich ereigneten Unglücks, irgendeiner Lebenswendung, die
nichts Gutes bringen würde. Er küßte seine Frau, spülte
sein Gesicht ab und ging im Sportanzug zum Jogging hinaus. Einige Leute
schwitzen in Fitness-Studios, um in guter Form zu sein. Für Hans
genügte es, nur zu joggen. Von Natur aus hatte er eine gute Figur.
Obwohl er zwischen Bäumen und Wiesen joggte, hatte er dieses Mal
aber keinen Spaß. Seine Laune war schlecht.
Hans war ein weltberühmter Pornostar. Doch beim Publikum war er
als Roger Martin bekannt. Gleich zu Beginn seiner glänzenden Karriere
hatte ihm Udo Krämer, sein Freund, Regisseur und Produzent geraten:
" Es ist blöde für einen Pornodarsteller, einem künftigen
Star auf diesem Gebiet, einen solchen Namen wie Hans Braun zu haben.
Wäre es für dich nicht besser, einen amerikanischen Namen,
beispielsweise, Jack O.K. zu verwenden?"
" Nein, nein," erwiderte Hans, "mir ist etwas Französisches
lieber, wie Roger Martin."
Hans war frankophil. Er mochte alles Französische: Humor, Essen,
Kleidung, Lebensart. Sein großer Traum war, nach seiner Pensionierung
in Paris zu leben, irgendwo in Montmartre, und abends an den Ufern der
Seine spazieren zu gehen. Außer Frankophile gibt's auch Anglophile,
Russophile, Amerikanophile, Spanophile u.s.w. Ich kannte einige Amerikaner,
die sich einmal wöchentlich in der Kneipe "Krombacher"
in New York trafen, nur Deutsch sprachen und deutsches Bier tranken.
Einer von ihnen versuchte, einen Artikel in der New York Times zu veröffentlichen,
in welchem er behauptete, dass Rafael und Voltaire Deutsche gewesen
seien, weil die Madonna von Rafael im Dresdener Zwinger hänge und
die Briefe von Voltaire an die russische Zarin Katharina II., die in
Wirklichkeit eine deutsche Prinzessin gewesen sei, habe er auf Deutsch
gelesen. Als die deutsche Fußballmannschaft die europäische
Meisterschaft verloren hatte, gingen sie durch die Strassen in Trauerkleidung
mit schwarzrotgoldenen Fahnen, die mit Trauerbändern geschmückt
waren. Sehr heiß war es zu der Zeit in New York gewesen, und zwei
von ihnen starben wegen der Hitze. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Hans war aber nicht nur ein Pornostar, er war auch ein guter Ehemann,
zärtlich, sorgsam, treu. Trotz seiner harten Arbeit erfüllte
er seine ehemännliche Pflicht zwei Mal wöchentlich, an seinen
freien Tagen.
Im Pornostudio wartet Udo schon ungeduldig auf ihn.
" Ich habe für dich ein wunderbares Drehbuch geschrieben und
habe im Kopf noch viele andere. Jetzt gehst du nicht mehr zu anderen
Regisseuren."
Hans war nicht nur ein berühmter Pornostar, er war auch sehr guter
Filmschauspieler, so natürlich, so zärtlich und leidenschaftlich,
dass die Menschen, die die Filme sahen, sich nicht nur als Zuschauer
fühlten, sondern sich mit ihm identifizieren konnten. Weltberühmte
Regisseure luden ihn als Hauptdarsteller ein. Einen großen Erfolg
brachten die pornografischen Versionen Flobers "Madame Bovary"
und "Der Idiot" von Dostojewski. Die Bundesregierung musste
die Filme unzensiert freigeben, wenn auch mit der obligatorischem Fussnote:
nur ab 18 Jahre. Udo war deswegen jedoch nervös und eifersüchtig.
" Also, es ist eine Geschichte über einen Playboy, etwas zwischen
Byrons Child Harold und biblischen Jona," erklärte Udo weiter.
" Du, ein enttäuschter Playboy, hast die Nase voll vom leeren
bohemischen Leben in Los Angeles und fliehst nach Hawaii. Du sitzt auf
der Ozeanküste, denkst an drei Frauen, die dir nachlaufen. Irgendwo
im Ozean hörst du eine schöne Stimme, die ein Lied singt.
Mit dem Jacht steuerst du rasch in Richtung dieser Stimme. Plötzlich
erscheint ein Wal, der dich verschluckt. Im Walmagen, der dir als ein
großer Palast erscheint, findest du eine schöne Frau, in
die du dich vom erstem Anblick an verliebst. Es folgen Sexszenen, die
originell und leidenschaftlich sind. Im Walmagen triffst du und deine
neue Geliebte drei weitere Frauen und zwei Männer, die der Wal
schon früher verschluckt hatte. Sie erzählen euch, dass der
Wal mit seiner schönen Stimme Menschen anlockt und dann verschlingt.
Es kommt zum Gruppensex. Der Wal ist wütend und eifersüchtig
geworden und spuckte dich aus. Aber du bist vom Gruppensex noch geil
und mit deinem steifen Penis durchtrennst du die Stimmbänder des
Wales, der für immer seine schöne Stimme verliert und damit
die Begabung, Menschen anzulocken und zu verschlucken. Du sitzt wieder
auf der Küste und weinst, weil du von deinen neuen Freunden getrennt
wurdest und entschließt dich, nach Norwegen oder nach Japan zu
fliegen, wo die Waljagd erlaubt ist, um dich an dem Wal zu rächen.
Die Geschichte ist schön, nicht wahr?"
" Sicher, sie ist schön, aber unrealistisch ," antwortete
Hans mit einem ironischen Lächeln. "Wale können keine
Menschen verschlucken. Sie ernähren sich nur von mikroskopischen
Plankton."
" Schon gut," sagte Udo friedlich. "Du musst unbedingt
zur Berliner Sexmesse fahren, da wartet auf dich eine tolle Überraschung."
Hans erzählte Nina von seinem Vorhaben, aber sie sagte, dass sie
nicht mitfahre, sie habe in dieser Zeit zu Hause viel zu tun. Hans war
verwundert, sagte aber nichts. Er vertraute seiner Frau.
Hans kam nach Berlin und bestellte sich Abendessen und Frühstück
zum Hotelzimmer, um niemandem zu treffen. Am nächsten Morgen wollte
er einen Sportanzug anziehen und joggen, überlegte aber, dass das
wohl lächerlich aussehen würde, auf den Strassen von Berlin
zu joggen. Er ging ins Badezimmer, rasierte sich und wollte sich schon
mit einem After shave das Gesicht einzuschmieren. Er schaute noch einmal
in den Spiegel. Aus dem Spiegel schaute ihn eine unbekannte Frau an.
Sogleich war ihm klar geworden, dass es die Frau war, mit der er unbewußt
immer zusammen durchs Leben gehen wollte. Die Frau sah ihn an und lächelte.
Es war so überraschend, dass er sich die Augen rieb und wieder
in den Spiegel sah. Doch da war kein Gespenst, er sah die Frau wirklich
und ganz deutlich. Er wollte sie schon fragen, wer sie sei, als es an
der Tür klopfte. Das Frühstück wurde gebracht. Er schaute
wieder in den Spiegel. Doch die Frau war verschwunden. Enttäuscht
ging er frühstücken.
Auf der Messe war alles wie immer: die gleichen Besucher, die gleichen
nackten, halbnackten, schick gekleideten Frauen und Männer, eine
riesige Menge an Dingen zur Selbstbefriedigung, verschiedene Sexvidios
und Zeitschriften. Hans bummelte auf der Messe umher, begrüßte
reserviert Kollegen. Er dachte nur an die Frau aus dem Spiegel. Er fuhr
ins Hotel und ohne sich auszuziehen, lief er zum Spiegel. Die Frau schaute
ihn traurig wieder aus dem Spiegel an und sagte etwas lautlos. Das Telefon
klingelte und die Frau verschwand. Es war Nina, die anrief: "Du
brauchst nur allein abzureisen, so vergißt du mich schnell,"
sagte sie beleidigt.
Hans wusste nichts zu erwidern. Er hatte tatsächlich nicht mehr
an sie gedacht, versprach dann aber, dass er übermorgen zurückkommen
werde. Ihm fiel es schwer, ihr zum Abschied zu sagen: " Ich liebe
dich", was in der Regel sowieso nicht viel bedeutet und hängte
den Hörer auf. Sein Leben veränderte sich von diesem Moment
an in seltsamerer Weise. Noch gestern hatte er geglaubt, dass er Nina
liebe. Die Situation war schrecklich. Es gab keinen Menschen, mit dem
er hätte darüber sprechen können. Unter Menschen wollte
er nicht sein, konnte aber auch nur schwer alleine sein.
Am nächsten Tag war die Verkündigung der Namen des besten
Schauspielers. Der Saal war überfüllt. Eine Frau und ein Mann
aus der Jury sagten: "Als den besten Sexschauspieler haben wir
Roger Martin, alias Hans Braun, ausgewählt! Zum Millennium entschloss
die Jury auch einen neuen Titel einzurichten: Das Sexsymbol des Planeten
Erde (gekürzt SPE). Mit diesem Titel wird eine Frau oder ein Mann
ausgezeichnet, die nicht nur beim Publikum beliebt sind oder nur wegen
ihrer besten Darstellung. Diese Person soll auch hoch moralisch sein.
Als den ersten SPE haben wir daher Roger Martin erkannt! Er ist nicht
nur ein wunderbarer Porno- und Filmdarsteller, er ist auch ein hoch
moralischer, treuer Ehemann! Er liebt seine Frau und hat sie niemals
in seinem Gefühlsleben betrogen." Das Publikum war begeistert,
applaudierte laut und skandierte: "Roger! Roger!! Roger!!!"
Hans bekam eine Statue, eine Kopie der weltberühmten Statue "Der
ewige Frühling" von Rodin. Diese Statue schildert einen Mann,
der eine Frau mit der Hand umarmt, die zwischen seinen Beine wuchs.
Dazu erhielt er das Auszeichnugsdiplom.
Er kam in der Nacht nach Hause. Nina schlief offensichtlich schon. Am
frühen Morgen nach dem Jogging berichtete Hans Nina von der Messe,
sagte, dass er schlechte Laune habe, und ging spazieren. Er war sehr
unaufmerksam und als er eine Strasse überqueren wollte, wurde er
beinahe von einem Auto überfahren. Aus dem Auto stieg eine erschrockene
Frau und begann sich zu entschuldigen. Er erkannte sie sofort: Das war
die Frau aus dem Spiegel. Das war so unerwartet, dass Hans nicht wusste,
was er tun sollte. Dann lächelte er ihr zu und lud sie zum Kaffee
ein. Sie wollte die Einladung zuerst ablehnen, stimmte dann aber zu,
erzählte ihm, dass sie Magda heiße, in einem Büro arbeite,
nicht verheiratet sei und keinen Freund habe. Hans schlug vor, sich
am Abend wieder zu treffen. Magda hatte nichts dagegen. Hans hatte ihr
gut gefallen. Nach einem kurzen Spaziergang, nachdem sie wieder zusammen
gekommen waren, sagte Magda, dass einzige, was sie beim Sex akzeptiere,
sei die französische Liebe.
"Die französische Liebe! Endlich habe ich die verwandte Seele
gefunden," dachte Hans. "Sie ist auch eine Frankophilin."
Es ist völlig unklar, warum diese Liebespraktik "französisch"
genannt wurde. Vielleicht ist diese Liebesart so bezeichnet worden von
Menschen, die Franzosen gar nicht mochten oder welche Franzosen besonders
liebten. Es ist bekannt, dass diese Art des Liebesaktes, aber ganz anderes
genannt, sehr verbreitet in der Antike, bei Urgriechen und Römern,
war. ( All About Sex. Vol.1., Ed. Wilson & Co. N.Y., 1998 ).
Hans und Magda trafen sich dann wieder in ihrer Wohnung, danach in einem
Hotel und waren glücklich. Sie beschlossen, ihre Beziehung geheim
zuhalten.
Lange, bevor ihr Mann nach Berlin gereist war, hatte Nina in einem Café
gesessen und über ihr unglücklichen Leben nachgedacht. Sie
war mit Hans schon etwa fünf Jahre verheiratet, als Hans noch bei
Mercedes arbeitete und sie in einem Büro. Irgendwann hatte Hans
sich entschlossen, sich als Pornodarsteller vorzustellen und hatte großen
Erfolg. Nina war nicht dagegen. Gute Arbeit muss nun mal gut bezahlt
werden, und Hans verdiente gut. Aber mit der Zeit war Nina unglücklich
geworden. Sogar ihren Freundinnen, Damen aus gutem Hause und reichen
Familien, konnte sie nicht erzählen, dass ihr Mann Pornostar war.
Die Freundinnen hätten sie nicht verstehen können. Sie sagte,
dass ihr Mann bei der Europäischen Kommission in Straßburg
arbeite, nur samstags und sonntags nach Hause kommen könne, und
sie dann diese Zeit zusammen verbringen wollten. Die Freundinnen fanden
das romantisch.
Traurig trank Nina ihren Cafe, als sie plötzlich einen begehrlichen
Blick auf sich gerichtet fühlte. Sie sah einen jungen Mann, der
sie anstarrte. Aus dem ersten Eindruck konnte sie schliessen, dass er
nicht reich war, aber er schien ihr sehr sympathisch zu sein. Sie lächelte
ihm zu. Er setzte sich zu ihr, sagte, dass er Mario heiße, Italiener
sei, bei der Deutschen Bahn im Schichtdienst arbeite, in freier Zeit
gerne male und sich ohne Freundin langweile. Sie gingen im Park umher
und dann zu ihm. Mario war zärtlich, leidenschaftlich. Nina war
begeistert. Sie trafen sich von nun an oft, wenn Hans im Pornostudio
beschäftigt war.
Mittlerweile erzählte Nina Mario über sich und ihr Leben.
"Ich bin sehr unglücklich. Es ist schrecklich, einen Ehemann
zu haben, der ein Pornostar ist. Ich vertraue ihm nicht mehr. Ein Pornostar
kann nicht treu sein. Jeden Tag betrügt er mich mit seinen Arbeitskameradinnen,
zumindest körperlich. Er umarmt mich, wie er sie umarmt hatte,
mit den gleichen Armen. Ich sage aber nichts über Sex. Ich bin
sicher, ich krank würde, würde er mich verlassen. Ich weiß
nicht, was zu tun. Ich kann darüber mit niemanden reden."
Mario beruhigte sie auf den Knien stehend und ihre Hände küssend.
Nachdem Hans nach Berlin abgefahren war, hatte Nina sich befreit gefühlt.
Sie hatte endlich ihren großen Traum nachgehen können und
Mario in ihr Haus zum Übernachten eingeladen. Sie sah es als Rache
an, wenn sie eine Nacht im Ehebett mit Mario verbringen würde.
Ein Verdacht von Hans Untreue war in ihr hochgekrochen, als er aus Berlin
zurückgekommen war. Er wurde Nina gegenüber zurückhaltend,
war nachdenklich, erfüllte seine ehemännliche Pflicht selten
und ohne Lust. Nina entschloss sich, Hans zu verlassen, aber vorher
wollte sie Beweise seiner Untreue bekommen. Da könne sie sicher
bei der Scheidung viel Geld von ihn bekommen, Mario heiraten und wieder
glücklich leben, dachte sie sich aus. Sie hatte aber keine Ahnung,
wie sie an irgend welche Beweise kommen könnte, entschloss sich
dann aber, ihren Schulfreund Otto anzurufen, der Leiter der Kripo war.
Der Arbeitstag für Otto, des Leiters der Kripo, begann wie üblich.
Er wachte vor dem Klingeln des Wecker auf, duschte und rasierte sich,
ging zum Frühstück in die Küche, nahm die Tasche, die
ihm seine Frau schon fertiggemacht hatte und fuhr ins Polizeipräsidium.
Zuerst ging er in die Garderobe, um sich umzuziehen. Aber die Tür
war geschlossen. Nach ein paar Minuten kam eine große Schönheit
in einem engen, rosafarbigen Kleid herein.
"Lucie, hast du neue, schöne Titten?" fragte Otto.
"Ja," gestand Lucie, die Augen niederschlagend. " Meine
waren schon platt geworden und sahen nicht mehr schön aus. Meine
Frau hat gesagt, es ist unmöglich, die alten immer noch aufzusetzen,
und ich musste neue kaufen, sehr teuere. Diese gefallen mir gut, und
meine Frau hat sie gerne."
In der Garderobe zog Otto einen hellgrünen Blazer und rosa Hosen
an, setzte eine Perücke auf, schminkte Lippen und Augen und ging
zu seinem Arbeitsplatz. Alle waren schon da, schön gekleidet, in
farbigen Kleidern, Perücken, fein geschmückt, nach verschiedenen
Vorlieben und Geschmäckern. Otto war zufrieden und wollte schon
die angesagte Sitzung beginnen, als das Telefon klingelte.
"Ja... Guten Morgen, Herr Minister... Jawohl, Herr Minister...
Alles geht nach Plan... Jawohl, Herr Minister, aber die Bewohner akzeptieren
uns wohl, ihnen hat gefallen, dass wir wie Frauen aussehen. Wir leben
doch in einer freien Stadt, jeder kann sich anziehen, wie er will...
Um Gottes willen, Herr Minister, es gibt unter uns keine Schwule. Wie
alle echte Katholiken haben wir entweder Frauen oder Freundinnen. Ja,
ehrlich gesagt, es war bei der Kripo einmal ein Schwuler, ein Protestant.
Er wollte keine Frauenkleider anziehen, weil er ein echter, aktiver
Schwuler war. Er sagte, das seine Männlichkeit beleidige. Nachdem
es bekannt geworden war, wurde ihm sofort gekündigt... Jawohl,
Herr Minister, vielleicht habe ich mich unklar ausgedrückt. Sicher
ich bin kein religiöser Fanatiker, für mich sind alle Deutschen
gleich... Jawohl, Herr Minister... Hauptsache, sie sind mit unserer
Arbeit zufrieden... Auf Wiederhören, Herr Minister. Ich wünsche
ihnen noch einen schönen Tag."
Otto schaute seine Untergebenen an. "Nun, Mädels, ihr habt
alles mitgehört. Jetzt berichtet über den vorigen Tag und
dann los!"
Er wollte schon anfangen zu arbeiten, als das Telefon wieder klingelte.
" Ja... Guten Morgen Nina! Ich habe dich doch gebeten, mich nicht
im Polizeipräsidium anzurufen... Was, sehr dringend? Schon gut,
treffen wir uns um neunzehn Uhr in der Kneipe dem Polizeipräsidium
gegenüber."
Nina kam aufgeregt in die Kneipe und erzählte Otto von ihrem Verdacht.
"Du muhst mir helfen. Du bist ein sehr guter Detektiv. Nur du kannst
das machen. Aber ich bitte dich, niemandem ein Wort zu sagen. Mach das
selbst, keiner außer dir darf davon wissen."
Schweren Herzens willigte Otto ein, ihrer Bitte nachzukommen.
Doch Hans aufzuspüren, war für Otto nicht einfach. Inzwischen
war die Urlaubszeit gekommen. Otto und seine Frau hatten sich entschieden,
den Urlaub auf einer Insel im Atlantik zu verbringen. Otto tat gewohnheitsmäßig
Büstenhalter, Kleider, Perücken, Schmuck und Kosmetik in seinen
Koffer.
"Bist du verrückt geworden?" schrie seine Frau. "
Du fährst doch nicht ins Polizeipräsidium, sondern in dem
Urlaub. Mach dich nicht lächerlich. Ich will nicht, das die Leute
sich über dich lustig machen."
Das Wetter der ersten Urlaubswoche war schön, aber dann wurde es
windig, und Nebel bedeckte die Insel. Otto langweilte sich und sagte,
er wolle spazierengehen. Es war sehr nebelig und dunkel draußen.
Der Nebel verdichtete sich und verwandelte sich in eine Frau. Das war
die Frau, wie Otto sofort begriff, von der er sein ganzes Leben geschwärmt
hatte, obwohl er immer dachte, das er seine Frau liebe.
Seine Frau war wirklich nett und dazu eine gute Köchin. Zu Hause
wartete sie abends auf Otto mit leckerem Essen in ruhiger Hausatmosphäre.
Des Nachts teilte er das Bett mit der treuen und ergebenen Ehefrau.
Dazu war er in der Polizeistation sehr beschäftigt und hatte keine
freie Zeit, um seine Frau zu betrügen. Um ganz ehrlich zu sein,
zwei oder drei Mal fand er die Zeit dafür, war aber keine feste
Beziehung gewesen, nur kurze Perioden am Rande seines Ehelebens. Jedesmal
hatte er auch die Zeit gefunden, um sich die Sünden in der Kirche
vergeben zu lassen.
Als Otto die Frau aus dem Nebel sah, war er erschrocken, erschüttert
und entzückt zugleich. Er wollte schon schreien: "Tschur,
tschur, das Kind!," wie der Zar Bords im fernen Rußland einst
schrie, aber der Nebel verschwand und damit die Frau.
Nach dem Urlaub kam Otto schlechtgelaunt zurück, war nervös
geworden, schrie seine Frau und die Untergebenen an, was ihm früher
nie passiert wäre.
Einmal begegnete Otto ihr auf der Straße, der Frau aus dem Nebel.
Mit klopfenden Herzen ging er auf sie zu, gestand, das er sie gerne
habe und lud sie zum Abendessen ein. Sie antwortete, das sie keine Zeit
habe und ging fort. Ein paar Tage später traf er sie wieder und
schlug vor, mit ihm zusammen in ein Restaurant zu gehen. Sie wurde wütend
und drohte, die Polizei zu rufen. Otto wurde bestürzt, versuchte
ihr zu erklären, das er selbst Polizist sei, eine Frau habe, jetzt
jedoch in sie verliebt wäre, sie heiraten möchte und kniete
sich vor ihr nieder. Sie schaute auf ihn hinab und sah unter seinem
Hemd einen Büstenhalter mit künstlichen Brüsten. Es wirkte
auf sie so komisch, das sie laut lachte und mit einem Taxi wegfuhr.
In der gleichen Nacht erlebte Otto einen Traum. Er war in der Wüste
und traf einen alten Mann, der an der Leine einen Hund zog. Otto betrachtete
den Hund aufmerksamer und erkannte in ihm die Frau aus dem Nebel. Er
wollte sich schon für sie einsetzen, als sie sich in eine Hexe
verwandelte. Otto wachte in kaltem Schweiß gebadet auf.
Hiernach drehten sich die Ereignisse wie in einem Kaleidoskop. Mario
erzählte Nina einmal eine merkwürdige Geschichte. "Ich
war alleine zu Hause und bekam den unüberwindlichen Wunsch zu malen.
Als ob eine höhere Gewalt meine Hand gelenkt habe, malte ich ein
Bildnis einer Frau, die ich niemals zuvor gesehen hatte. Es war schon
dunkel geworden. Ich wollte das Licht einschalten, aber die Wohnung
war in blauem Licht erleuchtet und eine Frau in einer weißen,
langen Bekleidung erschien. Sie sagte: ,Du hast das Bildnis der Frau
gemalt, mit der Hans die arme Nina betrügt.' Ich bin ganz sicher,
das war die heilige Jungfrau Maria."
Nina traf sich mit Otto und erzählte ihm die Geschichte und zeigte
ihm das Gemälde von Mario. Otto erkannte sofort die Frau seines
Traums. Er war beleidigt und eifersüchtig und setzte die Untersuchung
mit neuem Eifer fort.
Mittlerweile fuhr Mario nach Italien im Urlaub. Nach einer Woche rief
er Nina an und sagte:
" Ich bleibe für immer in Neapel und komme nie wieder zurück.
Das Leben in Italien ist lustiger, das Klima wärmer und die Frauen
sind schöner."
Nina war untröstlich und weinte tagsüber. Hans merkte aber
nichts. Er war in Magd verliebt und konnte nur von ihr träumen
und an sie denken. Er fühlte sich glücklich.
Magda war inzwischen schon eine ganze Woche von einem finsteren Vorgefühl
bedrückt. Es gab keinen Grund dafür; sie liebte Hans, und
Hans liebte sie. Einmal kam sie im Hotel früher an als er und wurde
sich überraschend bewußt, das ihr Leben sündig sei:
Sie liebte einen verheiraten Mann, der noch dazu ein bekannter Pornostar
war. Sie entschloß, sich von Hans zu trennen.
Die nachfolgenden wissenschaftlichen Forschungen zeigen, dass die Seele
der heiligen Brunhilde in Magdas Körper übergesiedelt war.
Brunhilde war die Frau des Ritters, der in Kreuzzügen getötet
worden war. Nach dem Tode ihres Mannes war Brunhildes Benehmen nicht
sehr hochmoralisch gewesen. Als sie schon alt geworden war und ihre
Schönheit fast ganz verloren hatte und damit ihre Liebhaber (es
waren nur Antiquitätenanhänger übrig geblieben ) näherte
sie sich wieder der christlichen Religion und ging in ein Kloster, wo
sie die Zeit fromm verbrachte. Nach dem Tod wurde sie heilig gesprochen.
Lange Zeit irrte ihre Seele im All umher, konnte jedoch keinen würdigen
Körper finden, in den sie übersiedlen wollte. Endlich entdeckte
sie auf der Erde ein neugeborenes Mädchen und reinkarnierte mit
Vergnügen in seinen Körper.
Nachdem ein glücklicher Hans im Berghotel mit einem Strauss roter
Rosen angekommen war, sagte Magda ihm kalt, dass sie sich von ihm trennen
wolle. Hans dachte zuerst, dass es ein Witz wäre, aber Magda sagte
deutlich, dass es ihr Ernst sei, und sie machte mit ihm Schluss. Hans
konnte nichts verstehen, fragte nach Gründen, beschwor sie, aber
alles war vergeblich. Schwankend verliess er das Hotel. In diesem Moment
blitzte etwas auf. Hans sah einen Mann mit einer Kamera in einem Auto,
der Fotos von ihm machte.
Ein grandioser Skandal brach aus. Alle bundes- und weltweiten Zeitungen
und Zeitschriften waren mit Leiterartikeln über das Leben von Hans
und Magda gefüllt, aber den größten Erfolg hatten die
Fernsehprogramme. Da konnte man nicht nur Hans und Magda sehen, sondern
berühmte Spezialisten des ersten Fernsehprogramms lehrten auch
ein Mal pro Woche, wie man die französische Liebe richtig machen
solle. Obwohl die Sendungen sehr beliebt waren, eröffneten in Berlin
und Hamburg zwei Schulen, deren Lehrer behaupteten, dass nur in ihrer
Schule die französische Liebe richtig gelehrt werde, und Vertreter
anderer Schulen und das erste Fernsehprogramm wurden in den Dreck gezogen.
Anderer Meinung war das zweite Fernsehprogramm. "Was machen sie
eigentlich?" fragte ein Moderator pathetisch in einer Sendung.
" Französische Liebe, so etwas kann nur den Franzosen einfallen,
die Frösche essen. Durch die Französische Liebe .kann noch
kein Kind zu Welt kommen. Fragen sie einmal ihre Eltern, Großeltern,
Urgroßeltern, ob sie je französisch geliebt hätten.
Ich garantiere, sie werden ihnen antworten: Niemals. Ich kann auch von
mir behaupten: Ich habe noch nie französische Liebe praktiziert.
Fast nie." Es kam zu Demonstrationen und Zusammenstößen
zwischen Anhängern und Gegnern des Ersten und Zweiten Programms..
Die Polizei mußte Wasserwerfer gegen Demonstranten einsetzen.
Bald verbreitete sich die französische Liebe weltweit. Doch bedrohende
Nachrichten kamen nicht nur aus Europa und den USA, wo diese Sexvariante
am meisten beliebt war, sondern auch aus Asien und Afrika. Weltweit
ging die Anzahl an Nachwuchs katastrophal zurück. Futurologen prophezeiten
eine ökonomische und politische Weltkrise wegen Mangels an Arbeitskräften
und militärfähigen Menschen.
Aber mit den schwierigsten Problemen war die Leitung der Berliner Sexmesse
konfrontiert. Niemand war in der Lage zu entscheiden, ob man Hans Braun,
alias Roger Martin, den Titel des SPE lassen konnte. Es wurde eine Moralkommission
gegründet, die alles klarstellen sollte. Zu der Sitzung wurden
Otto und Nina als Zeugen eingeladen. Otto kam in einer gelben Bluse
und in einer violetten Hose, die seine behaarten, muskulösen Beine
nur halbwegs bedeckte. Die Mitglieder der Kommission waren empört.
Einer von ihnen sagte, das solch ein Zeuge eher nach St. Paul in Hamburg
passe, als für die Moralkommission und wiesen ihm die Tür.
Nina sagte, daß sie Hans vergeben habe, als Ehemann sei er immer
gut und sorgsam gewesen, auch würde sie ihn immer noch lieben.
Die Moralkommission entschloß (mit drei Stimmen gegen zwei), Hans
den hohen Titel des SPE zu lassen und ihm nur eine Verwarnung auszusprechen.
Hans dankte der Moralkommission, küste Ninas Hand, setzte sich
ins Auto und fuhr in Richtung Paris davon.
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